
Ich spare mir gleich zu Beginn mal die allgemeine Glaskugel-Prognoserei, ob mich ChatGPT zukünftig für den Großteil meiner Aufgaben als Texter ersetzen kann. Denn das wird es ganz bestimmt. Und ich kann es kaum erwarten!
Denn mit der Erfahrung aus 20 Jahren im Textbusiness – davon elf als Freelancer – habe ich eins gelernt: Texter zu sein bedeutet nicht, den ganzen Tag nur fancy Headlines zu texten, Goldideen zu schrubben oder lustige 404-Errorseiten zu erfinden. Zu 70-80% besteht mein Job aus: Recherche, Strukturieren und Adaption. Das mag doch nun wirklich kaum jemand – und genau hier geben sich mein Kollege ChatGPT und ich uns die hohe Fünf. Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team, in dem jeder seine Stärken und Schwächen hat.
Wir ergänzen uns perfekt. Doch der Reihe nach!
Erst das Gewissen. Dann die Begeisterung.
Zeitsprung Mitte 2019: Die ersten Text-KIs wie Headlime oder Neuroflash kommen auf den Markt und ich war direkt angefixt. Ich weiß noch, wie ich viel ausprobiert habe und zu meiner damaligen Text-Kollegin sagte: “Guck mal – das hier wird uns bald unseren Job klauen”. Wir diskutieren und taten es mit den üblichen Floskeln ab: Eine KI wird “nie im Leben kreativ und empathisch” sein – unser Job ist safe! Und damals hatten wir Recht: Denn in der Zeit, in der ich auf Headlime alle Parameter eingestellt hatte, um wirklich brauchbare Ergebnisse zu bekommen, konnte ich es damals besser gleich selbst schreiben.
Knapp vier Jahre später sehe ich das anders. Denn seit Januar arbeite ich nahezu täglich und in vielen Bereichen mit meinem neuen Homie zusammen. Ich erinnere mich noch daran, wie ich zum ersten Mal mit großen Augen und zittrigen Fingern einen Prompt eingegeben habe. Vielleicht war es eine einfache Frage? Oder direkt ein mutiger Befehl? Ich weiß es nicht mehr – aber an das Gefühl der ersten Ergebnisse kann mich noch ganz genau erinnern:
Das fühlt sich verdammt wie cheaten an!
Denn CheatGPT kürzt mir einen Text innerhalb von Nanosekunden auf eine gewisse Zeichenanzahl runter. Er recherchiert für mich. Er baut die Struktur eines Textes exakt so auf, wie ich es brauche. Er sammelt Zitate, Quellen und Inspiration. Ich kann mit ihm Brainstormings machen. Texte per Klick in einfache Sprache umwandeln. Oder andersrum. Dinge, die sonst 70-80% meines Arbeitsaufwands ausgemacht haben, sind jetzt in ein paar Sekunden erledigt und ich kann direkt an den Feinschliff gehen. Wie cool ist das denn?
Ideen für 20 FAQs in ein paar Sekunden generieren:


All das fühlte sich erstmal verdammt wie “betrügen” an. Plötzlich übernahm jemand etwas, das doch eigentlich MEIN Job ist. Was für ein süßes Geheimnis! Erst nach den ersten Tagen des Ausprobierens legte sich dieses negative Gefühl und ich habe das volle Potential erkannt:
ChatGPT ist meine digitale Unterstützung – und genau dafür sind KIs doch gemacht. Es ist nichts Schlimmes daran, sich inspirieren oder das Grundgerüst eines Textes vorbereiten zu lassen – denn die letzten 20% Magic kommen immer noch von mir. Ich muss immer noch alle Informationen prüfen, alles in ein sinnvolles Konstrukt bringen – und bis zuletzt feinschleifen.
Aber auf dem Weg spare ich jetzt eine Menge Zeit. Für die wirklich kreativen Aufgaben
Learning 1:Es gibt Texte, da hat ChatGPT Hausverbot
Ich habe schnell gemerkt, für welche Zwecke ich meinen digitalen Kollegen sehr gut gebrauchen kann – und für welche nicht. Und ich habe eine goldene Regel: Wenn es um persönliche Texte wie diesen hier oder alle Texte für appmotion geht, hat die KI ganz klar Hausverbot.
Es hat uns nämlich viel Energie und Gehirn gekostet, unsere appmotion-Tonalität so wiedererkennbar zu gestalten. Diese Sprache ist einzigartig und alle Versuche, sie mit ChatGPT zu kopieren, sind kläglich gescheitert. Vielleicht wird es eines Tages möglich sein, aber auf dem Weg dahin lenken mich die Versuche mit ChatGPT zu sehr ab.
Texte mit einer Tonalität wie dieser erfordern Einsatz und keine Shortcuts.
Learning 2:Tone of Voice ist bald unverzichtbar für die Arbeit mit ChatGPT
Immer mehr Unternehmen entdecken das Potential ihrer eigenen Markenstimme. Denn in den Zeiten von unzähligen Touchpoints, Personas und Herausforderungen kann es einen großen Unterschied machen, die eigene Tonalität präzise zu definieren – und damit gezielt zu sprechen.
In meiner täglichen Arbeit begleite ich Unternehmen dabei, genau diese Markenstimme zu finden. Und wirft man einen Blick auf das, was ChatGPT in puncto Tonalität jetzt schon leistet – und wie schon gesagt bald leisten wird – wird deutlich: Wer die Werte und Ziele seines Unternehmens systematisch in Sprache transportieren kann, wird ChatGPT deutlich besser in seine tägliche Textarbeit einbinden können.
Voice-Check: Unterschied ohne und mit Tonalitäts-Kontext


Denn auch wenn es jetzt noch nicht perfekt ist: Die KI kann schon sehr viel mit Angaben zur Tonalität anfangen und erstaunlich gut Ergebnisse generieren. Schon heute ist es bei manchen Text-KIs möglich, die eigene Tonalität abzuspeichern und sich damit von den eher generischen Texten abzusetzen. Unternehmen sollten das Thema “Tone of Voice” + ChatGPT also unbedingt auf dem Schirm haben.
Learning 3:Apfel C & Apfel V – bastel Dir Deine passende Prompt-Bibel.
Es gibt da draußen unglaublich viel kostenlosen Content rund um das Thema “Prompting”. Ich habe von Anfang an alles aufgesogen, Newsletter abonniert, eBooks mit Prompts gekauft und YouTube-Videos geschaut. Ein paar Tipps findest Du weiter unten.
Jeder Prompt, der mir für meine täglichen Aufgaben hilfreich erschien, habe ich in meine ganz persönliche “Prompt-Bibel” in Google Docs überführt. Zuerst nur ein paar, mittlerweile einige Dutzend, die ich nach Themen wie “Tonalität”, “Kontext” oder “Recherche” sortiert habe. Das Dokument ist immer offen und spart mir sehr viel Zeit.
Hier ist eine kleine Liste mit guten Prompt-Infos:
Kostenloses eBook von Blogmojo – hier auch gerne den Newsletter abonnieren
Kostenlose Prompts auf GitHub
ChatGPT Prompt-Guide vom AI Training Institute – hier auch gerne den Newsletter abonnieren

Foto von Jonathan Kemper auf Unsplash

HEAD OF VOICESEBASTIAN KOPP
Sebastian gestaltet menschliche Sprache für digitale Produkte – und hilft unseren Kunden, ihre Markenstimme zu finden und zu sprechen.